Stärkung der interkulturellen Begegnungen

Schlagen Sie Brücken zwischen den Kulturen!

Durch die Aufnahme von Incoming-Freiwilligen wird die Möglichkeit für interkulturelle Begegnungen erhöht: Dort, wo diese Begegnungen bisher unüblich waren, gibt der Incoming-Freiwilligendienst die Chance Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander in Kontakt und Austausch zu bringen. Die langfristige Anwesenheit und Unterstützung der Incoming-Freiwilligen kann so zu positiven Effekten, wie der Stärkung von Toleranz und des Abbaus von Vorurteilen, führen.


Nina (22 Jahre, aus Uganda):»An meinem zweiten Tag in Deutschland war ich zum ersten Mal in meiner Einsatzstelle. Von meiner Gastfamilie bis zur Klinik sind es zu Fuß ungefähr 45 Minuten. Deshalb bekam ich ein Fahrrad. Mit dem Bus hätte ich umsteigen müssen, außerdem fuhr er nur unregelmäßig. Nun stand ich vor einer Herausforderung, da ich nicht Fahrrad fahren konnte. In meiner Heimat wurde mir, als ich klein war, immer gesagt, als Frau gehöre ich in die Küche. Deshalb hatte ich nie eine Gelegenheit es auszuprobieren. Daher bin ich am ersten Tag zur Arbeit gelaufen. Dort angekommen wurde ich gefragt, wie ich hergekommen sei. ›Zu Fuß‹, sagte ich. Ich hatte das Gefühl, die Leute wunderte das. ›Nina, du musst Fahrrad fahren (lernen)!‹ sagten sie zu mir. Ich wusste aber nicht wie. Am nächsten Tag ging ich wieder zu Fuß und wurde wieder gefragt. Und so weiter. Am meinem ersten freien Wochenende klingelte es dann morgens an der Tür. Ein halbes Dutzend meiner Kolleg*innen stand dort. ›Wir bringen dir das Fahrradfahren bei!‹ riefen sie. Wir haben den ganzen Tag geübt und hatten viel Spaß. Es war ein tolles Gefühl so viel Unterstützung zu bekommen und vor allem bin ich kein einziges Mal umgefallen. Am Montag bin ich morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Am Anfang klappte alles gut, aber kurz vor der Klinik stürzte ich und landete im Dreck. Ich erzählte niemandem davon. Am Dienstag traute ich mich dann nicht, mit dem Fahrrad zu fahren. Meine Kolleg*innen erkundigten sich erneut, wie ich gekommen sei. ›Zu Fuß!‹ sagte ich. Sie ermutigten mich: ›Komm, trau dich, nimm das Fahrrad!‹ An einem Dienstag, zwei Wochen später, probierte ich es erneut. Und es klappte! Ich kam schnell und sicher an. Seitdem bin ich auf dem Weg zur Arbeit nie wieder gestürzt. Ich kann jetzt sogar im Wald freihändig fahren! Der Erfolg tat mir richtig gut. Ich bin durch das Fahrradfahren jetzt viel unabhängiger.

Jede kleine Strecke fahre ich. Meine Familie in Uganda wollte mir nicht glauben, dass ich Fahrrad fahren gelernt habe. Daher drehte ich ein Video. Meine Freund*innen filmten und ich fuhr die Straße hinunter. Am Ende der Straße drehte ich mich um, um ihnen zuzuwinken. Da kam plötzlich ein Auto. Ich konnte ausweichen, stürzte aber. Es ist zwar nichts passiert, aber meine Familie hat sich totgelacht, als sie das Video gesehen hat. Eine Sache möchte ich noch erzählen. Lange hat mir zu Hause niemand geglaubt, dass in Deutschland viele Menschen unabhängig von Einkommen oder sozialem Status Fahrrad fahren. In Uganda haben wir deutschen Freiwilligen kaum die Möglichkeit gegeben Fahrrad zu fahren. Damals dachte ich, das passt nicht zu ihnen. So etwas machen sie sicher nicht in Deutschland. Jetzt habe ich eine ganz neue Perspektive darauf gewonnen. Ich habe gelernt, was für ein tolles Gefühl es ist, selber fahren zu können. Schon in den ersten Wochen meines Freiwilligendiensts in Deutschland habe ich ein neues Hobby begonnen, das ich mit nach Hause nehmen werde. Auch werde ich den deutschen Freiwilligen, die ich treffe, zukünftig ›erlauben‹ in Uganda Fahrrad zu fahren. Für sie ein altes und für mich ein neues Stück Heimat.«


El Hadji  (24 Jahre, aus Senegal):»Die direkte Kommunikation mit Fremden ist etwas Untypisches in Deutschland. So dachte ich vor und am Anfang meines Freiwilligendienstes, Deutsche wären sehr kalt und würden anderen Menschen nicht näher kommen wollen. Inzwischen denke ich, dass Deutsche gerne Beziehungen aufbauen, sie es in der Öffentlichkeit nur nicht gewohnt sind. Um das besser zu verstehen, möchte ich eine Geschichte erzählen: Es war meine erste Woche in Deutschland. Es war schwer, die Sprache zu verstehen und noch schwerer, selbst zu sprechen. In diesem Zustand musste ich zur Arbeit gehen. Ich hatte auf einem Papier die Nummer des Busses und der Züge geschrieben, die mich zur Arbeit bringen sollten. Am ersten Tag war alles sehr einfach, der Bus und die Züge waren pünktlich und meine Sorgen waren unbegründet. Ich war sehr dankbar, dass der Nahverkehr hier so gut funktionierte. Am dritten Tag überprüfte ich wie immer die Liniennummer 110 und stieg in den Bus. Er kam vielleicht mit einer Minute Unterschied zum Vortag. Daher machte ich mir keine Sorgen. Aber plötzlich änderte der Bus seine Richtung. Ich ging schnell nach vorne und fragte den Busfahrer, ob er nach Malsch Bahnhof fährt. Mit einem eher unfreundlichen Gesicht machte er mir deutlich, dass ich den falschen Bus genommen hatte. Also stieg ich aus und wartete auf den nächsten Bus mit der Nummer 110. Ich stieg ein und fragte den Busfahrer mit einer sehr schüchternen Stimme »Malsch Bahnhof?« Mit einer leichten Kopfbewegung sagte er »Ja«. Am nächsten Morgen war ich unsicher und aufgeregt, obwohl Busfahren eigentlich so einfach ist. In meinem Kopf wiederholte ich ständig, dass ich klar und deutlich sprechen sollte, um zu fragen, ob es der richtige Bus war. Als der Bus schließlich kam und die Tür sich öffnete, sah ich den gleichen Busfahrer wie am Tag zuvor – der aus dem richtigen Bus – und ich fragte noch einmal »Malsch Bahnhof?«. Und er sagte »Ja«. So merkte ich mir, dass der gleiche Busfahrer diesen Bus jeden Tag fahren würde. Jeden Morgen war ich sehr glücklich, dieses vertraute Gesicht zu sehen, weil ich wusste, dass ich mich im richtigen Bus befand. Für etwa zwei Wochen stieg ich jeden Morgen in den Bus, sah den Busfahrer, lächelte und rief mein sehr fröhliches »Morgen« und bekam keine Antwort. Bis ich eines Morgens in den Bus stieg, und bevor ich überhaupt Zeit hatte zu lächeln, schaute er mich an, lächelte und sagte: »Morgen!« Das machte den Tag zu etwas ganz Besonderem. Ich fühlte mich etwas mehr zu Hause.

An diesem Tag wurde mir deutlich bewusst, dass meine Kultur und meine Alltagserfahrungen aus Senegaltief in mir stecken und ich sie überall mit hinnehme. Meine kulturellen Prägungen werden selbst in den kleinsten Dingen im täglichen Leben sichtbar und ich freue mich und bin stolz, dass ich aktiv bei einem sehr wichtigen kulturellen Austausch teilnehmen und so tief eintauchen darf. Jetzt verstehe ich die unterschiedlichen Herangehensweisen an Beziehungen viel mehr, die es in Deutschland und auch bei mir zu Hause gibt. Sie haben oftmals die gleiche Intention, aber sehen dabei einfach anders aus.«